Archiv für den Monat November 2014

Urlaub, Wahlen und Gefühlschaos

Meine lieben Weltenbummler, Daheimgebliebenen und fleißigen Blogleser,

es ist mal wieder eine ganze Menge passiert, seit dem letzten Blogeintrag. Wie ihr aus meinem letzten Bericht noch wisst, musste Sandra das Land verlassen und ihren Einsatz vorzeitig abbrechen, da sie keine Aufenthaltsgenehmigung erhalten hat. Deshalb ging es für Sandra, Marie und mich auf nach Tofo! Dank eines Freundes, der in einem Hostel in Maputo arbeitet, sollten wir morgens früh gegen 5:15 Uhr aus unserer Stadtwohnung abgeholt werden. Mein Handy klingelte um 4:30 und ich, noch im süßen Land der Träume, schaltete das Klingeln einfach ab, im Glauben es sei mein Wecker gewesen. Als es erneut klingelte und der Fahrer uns sagte, er stehe vor unserer Haustür, sprangen wir drei auf und waren ganz schnell ganz wach. Innerhalb von 5 Minuten wurden die letzten Sachen eingepackt, Zähne geputzt und wir rannten zum Chapa, das schon an der Ecke auf uns wartete. Nun ging die gut 10 stündige Fahrt los, die großen Rucksäcke zwischen die Beine geklemmt. Als wir dann endlich im Hostel in Tofo ankamen, die Beine komplett eingeschlafen, wurde uns der Schlüssel für ein eigenes Bungalow gegeben, zum Preis eines Bettes im Mehrbettzimmer! Wir haben uns natürlich riesig gefreut und es ging gleich an den Strand. Und ich muss euch sagen, es ist das schönste was ich jemals gesehen habe! Das Wasser ist wirklich GLASKLAR, wenn man durch eine der riesigen Wellen taucht kann man durch sie hindurchsehen, ein meilenweiter Sandstrand und wir waren mal wieder fast die einzigen. So verbrachten wir spontan eine ganze Woche dort, lagen jeden Tag am Strand,haben lecker gegessen und waren einen Tag lang in Inhambane. Auch unser Hostel war ein Traum, es lang wieder direkt am Strand und war auf den Dünen gebaut, alles war liebevoll eingerichtet und dekoriert. Dort haben wir auch einen Südafrikaner kennengelernt, dessen Geschichte mich ziemlich fasziniert hat: er ist vor drei Jahren einfach nach Asien gegangen und hat dort Englisch unterrichtet, obwohl er nicht mal Lehrer ist. Das Geld, das er dort verdient hat, hat er gespart und hat nach zwei Jahren eine Weltreise begonnen. Er war fast überall auf der Welt, hat dort die verschiedensten Menschen und Kulturen kennengelernt. Er sagt, er hat auf der ganzen Welt Freundschaften geschlossen. Und wer kann das schon von sich behaupten? Mittlerweile ist er wieder in Kapstadt, denn Tofo war sein letzter Halt bevor er nach drei Jahren das erste Mal wieder nach Hause fuhr. Dieser Mensch war so voller Erfahrungen, Erlebnissen und Geschichten! Marie und ich werden ihn wahrscheinlich im Januar wiedersehen, da wir eine große Südafrikareise planen und er uns angeboten hat, dass wir in Kapstadt bei ihm wohnen können.

Die Woche in Tofo ging natürlich viel zu schnell vorbei und schon saßen wir wieder im Chapa Richtung Maputo. Diesmal sollte die Fahrt 12 Stunden lang gehen, und als wir kurz vor Maputo noch in einen Stau gerieten, entschieden Marie und ich kurzerhand bis in die Stadt zu trampen. Das klappte natürlich wie immer gut, nur saßen wir zusammen mit zwei toten Schweinen hinten auf der Ladefläche, mir war gar nicht bewusst WIE riesig so Schweine doch sind. Und so begann auch Sandras letzte Woche im Projekt, die am letzten Tag mit Gesang und Tanz der Mamas endete, wirklich super süß! Wir beide haben noch ein typisch deutsches Essen für unsere Gastfamilie gekocht, Schnitzel mit Kartoffelpüree und Erbsen und Möhrchen, das kam aber außer bei der Oma gar nicht so gut an. Egal, uns hat es super gut geschmeckt und dem Hund später auch! Und Samstag morgen am Flughafen hieß es dann ganz plötzlich Abschied nehmen. Es war ein unwirkliches Gefühl, Sandra einfach so gehen zu sehen. Und dann war sie auch schon weg. Und die Gespräche begannen: einige von uns wären in dem Moment gerne mit ins Flugzeug gestiegen, in wenigen Stunden hätte man sein altes Leben zurück. Aber können wir überhaupt noch so weitermachen wie vorher oder haben wir uns schon, ohne es zu merken, zu sehr verändert? Die Antwort bekomme ich wohl erst nächstes Jahr.

Auch wenn ich meine Gastfamilie und ganz besonders mein Projekt liebe, so ist es doch zu Hause immernoch am schönsten. Ich kann nicht mal genau definieren, was genau mir hier fehlt, oder was genau ich vermisse. Vielleicht liegt es daran, dass ich mich noch immer nicht so richtig „zu Hause“ fühle. Vielleicht aber auch daran, dass jetzt, nach 3,5 Monaten, der Alltag so richtig eingekehrt ist und nicht mehr jeden Tag tausend neue und aufregende Dinge geschehen. Die Illusion des Anfangs zerbricht so langsam und es gibt viele Dinge, die wirklich stören, nerven oder wütend machen. Ich möchte hier wirklich keinen ich-hasse-Mosambik-Eintrag draus machen, denn das ist sicher nicht wahr, aber ich möchte euch ja ein realistisches und vielseitiges Bild machen. Also:

-eine Mama aus dem Projekt erzählte heute, dass ihre dreijährige!! Tochter den ganzen Tag alleine zu Hause ist, der Vater ist arbeiten, sie hat eine 12 Stunden Schicht und ist natürlich auf ihren Job angewiesen, keiner kann auf dieTochter aufpassen und Geld für den Kindergarten oder einen Aufpasser ist nicht da. Und trotzdem verbietet der Padre, dass sie ihre Tochter mit zur Arbeit bringt, ein dreijähriges Mädchen! Und das kommt wohl öfters vor…

-wie schon mal angesprochen, die Sache mit der Hautfarbe. Ich weiß nicht genau, wie ich das ganze politisch korrekt aufschreiben kann, also verzeiht mir bitte, falls ich mich versehentlich unkorrekt ausdrücke:

Ich kann nicht über die Straße gehen, ohne angeglotzt, angequatscht, angepfiffen oder teils sogar angetatscht zu werden! Nur weil ich weiß bin, nehmen sich einige Mosambikaner Sonderrechte heraus, das nervt! Auch ziemlich komische Situationen entstehen dabei, wie vorhin, als ich von der Arbeit nach Hause fuhr. Ich sitze im Chapa und ein anderes hält genau daneben, in diesem sitzt eine Horde Schulmädchen, die plötzlich alle anfangen rumzukreischen weil sie mich sehen, der Comprador,mit rotem Lippenstift auf den Lippen,beugt sich aus dem Fenster um mich zu küssen und alle Menschen in meinem Chapa lachen sich natürlich kaputt – ja lustig, ich bin weiß, haha. Als ich endlich aus dem Chapa steige und noch Waschpulver an der Straße kaufen will, möchte der Verkäufer es mir nicht verkaufen, denn ich als Weiße (ja,genauso hat er es gesagt) kann doch nicht selber meine Wäsche waschen, dass müsse doch ein Schwarzer machen, er würde jetzt mit mir mitkommen und für mich die Wäsche waschen – äääh… nein!

-Müll und besonders PLASTIKTÜTEN! Ich bin ja auch in Deutschland kein Freund von Plastiktüten und nehme mir meistens auch zum Shoppen Taschen mit…

aber hier in Maputo bekommt man für ALLES eine Plastiktüte. Und wenn man im Supermarkt drei Flaschen Wasser kauft, bekommt man nicht nur eine, nein man bekommt drei Plastiktüten! Als ich mir ein Eis gekauft habe, ja, ein Eis, das ich ja sowieso sofort esse, wollen sie mir eine Plastiktüte geben, ich sage nein, danke, und am Ausgang fragt mich der Sicherheitsmann wieso ich denn keine Tüte genommen habe – aaaah!

Und wenn man die Tüte, oder auch sonstigen Müll nicht mehr braucht, dann wird er einfach auf den Boden geworfen… tja und dementsprechend sieht die Stadt auch aus – wie eine riesige Müllhalde…ach, und wenn es dann mal zu viel Müll auf einem Fleck ist, dass wird das ganze Plastik einfach an Ort und stelle verbrannt, na super!

-die, ich weiß nicht wie ich es nennen soll, Trägheit vieler Mosambikaner. Es fängt ganz einfach damit an, dass man im Supermarkt mindestens 10 Minuten an der Kasse steht, selbst wenn nur 3 Leute vor einem sind, dann wird noch in aller Ruhe alles vom Kassierer in Plastiktüten gepackt

man bestellt etwas und der Verkäufer spielt erst noch 5 Minuten mit dem Handy bis er beginnt

die Leute beschweren sich, wenn sie keine Angestellte haben, in Deutschland gehen voll Berufstätige auch selber einkaufen, kochen abends noch für die Familie, putzen und räumen allen alles hinterher, wo sie doch auch genug zu tun haben, bestes Beispiel meine Mama!

noch ein Beispiel mein DIRE, meine Aufenthaltsgenehmigung! Ich sollte sie am 5. September abholen, seitdem werde ich immer auf die nächsten zwei Wochen vertröstet, bis jetzt bin ich allerdings immernoch DIRE-los.

SO jetzt genug des negativen!

Ich habe Euch auch noch gar nicht von den Wahlen erzählt! Und weil meine Mitfreiwillige Anna sich schonmal die Mühe gemacht hat, bekommt ihr hier ihren Blog mit Schilderung der Wahlen

http://365-dias-em-mocambique.blogspot.com/

Aber erst einmal von vorne!
Am Mittwoch, den 15. Oktober 2014 finden in Mosambik die Präsidentschafts-, Parlaments-und Regionalwahlen statt.
Besonders die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen sorgen natürlich für Aufsehen. Der zur Zeit amtierende Präsident Armando Guebuza regiert mit seiner Partei FRELIMO bereits seit 2005, darf dieses Jahr laut Gesetzt jedoch nicht für eine 3te Amtszeit kandidieren.
Insgesamt stehen den Parteien 40 Tage Wahlkampf zur Verfügung, wobei 2 Tage vor dem Gang zur Urne jegliche Kampagnen eingestellt werden müssen. (Ob aus Sicherheitsgründen, damit die Stimmung nicht zu sehr aufgeheizt wird oder einfach, um den Freiwilligen im Land nochmal 2 ruhige Nächte zu schenken – ich weiß es nicht).
Tatsache ist jedoch, dass Wahlkampf recht wörtlich zu nehmen ist.
Zwischen vielen kleinen, meist lokalen Parteien gibt es drei größere Parteien, die eine reale Chance haben, in das Nationalparlament einzuziehen. Neben der RENAMO(Resistência Nacional de Moçambique) – derzeit größte Oppositionspartei – und der MDM(Movimento Democrático de Moçambique) besteht das Parlament im Moment zu mehr als 2/3 aus der regierenden früheren Einheitspartei FRELIMO (Frente da Libertação de Moçambique). Wobei zu Letzt genannte Partei mit ihrem Präsidentschaftskandidat Filipe Jacinto Nyusi mit großer Wahrscheinlichkeit erneut gewinnen wird.

Ginge es nur nach dem bisher betriebenen Aufwand, Stimmen zu sammeln, so würde zumindest in Maputo die FRELIMO-Partei schon unangefochtener Sieger sein. Keine Wand und kein Baum scheinen von Nyusi-Plakaten verschont geblieben und der eigens für FRELIMO-Kandidat Nyusi kreierte Wahlsong, lief sowohl im Radio als auch im TV rauf und runter. So kommt es, dass nicht selten die Kids in meinem Projekt das Lied anstimmen oder selbst ich (mich vor dem Ohrwurm nicht retten könnend) manchmal den Refrain „Eu confio em ti, Nyusi“ vor mich hin summe. Das heißt übrigens soviel wie: „Ich vertraue dir, Nyusi“. Und noch eine in Deutschland eher unbekannte Methode: Es wurden unmengen von T-Shirts mit Nyusi-Druck verteilt und selbst Capulanas eigens zu diesem Anlass produziert. Selbst nach der Wahl, wird demnach noch einiges an diese Zeit erinnern.

Und hier das Wahlkampflied des neuen Präsidenten von Mosambik: Filipe Jacinto Nyusi

http://www.youtube.com/watch?v=arnj9xT4NsI

Und damit verabschiede ich mich ersteinmal, aber der nächste Eintrag wird nicht lange auf sich warten lassen, denn es steht der Dreimonatsbericht für meine weltwärtsförderung an!

Drücke Euch alle ganz feste und schaue mit einem weinenden Auge nach Köln!